
Bei meinem heutigen Plausch ist eine ziemlich beeindruckende Frau zu Gast: Baronetess Arabella Alexandra Brigham, die euch vielleicht aus dem Roman Die stumme Magd bekannt ist. Wenn ihr diesen Roman noch nicht gelesen habt, seid bitte gewarnt, dass dieses Interview Spoiler enthält!
Dame Arabella hat Unglaubliches durchgemacht: Sie wurde von dem Mörder ihres Vaters gefangen gehalten, praktisch versklavt und durfte kein einziges Wort sagen, bis sie wie durch ein Wunder befreit wurde. Ich bin sehr dankbar, dass sie sich die Zeit genommen hat, ein paar Fragen zu beantworten.
Annette: Da du viel Zeit in meinem Kopf verbracht und mich sehr bedrängt hast, deine Geschichte zu erzählen, ist es wohl in Ordnung, wenn ich auf die Formalitäten verzichte und dich Bella nenne?
Bella: Das kannst du gerne tun, Annette. Ich entschuldige mich für die Unannehmlichkeiten, die ich verursacht habe, obwohl ich sagen muss, dass es nicht ganz falsch war, dir einen kleinen Schubs in die richtige Richtung zu geben.
Annette: Einen kleinen Schubs? Also, ich persönlich würde es als hartnäckiges Drängeln bezeichnen, aber du hast recht. Ohne dich wäre ich nicht da, wo ich heute bin.
Bella lächelt selbstgefällig und streicht ihr Kleid glatt.
Annette: Die Leser waren sehr angetan von deinem Schicksal und Daniels heldenhaften Taten. Über euer Eheleben wurden sie allerdings im Unklaren gelassen, und sie sind sicher sehr gespannt darauf zu erfahren, wie du und Daniel jetzt miteinander auskommen.
Bella: Daniel ist wunderbar. Schon als er mich zum ersten Mal bemerkte, wusste ich, dass er die Freundlichkeit in Person ist, und daran hat sich nichts geändert. Er behandelt mich immer noch mit größtem Respekt und kümmert sich liebevoll um mich. Obwohl ich zugeben muss, dass ich an seiner Naivität und seiner absoluten Weigerung, seine Gefühle für mich anzuerkennen, fast verzweifelt bin. Es brach mir das Herz, dass das Glück zum Greifen nahe und doch unerreichbar war.
Annette: Aber dann hat ihm seine Mutter geschrieben.
Bella lacht: Ja, das hat sie, Gott segne sie.
Annette: Hast du sie jemals getroffen?
Bella: Sie kam zu unserer Hochzeit. Daniel hätte es nicht anders gewollt. Sein Vater war auch dabei und konnte es kaum fassen. Ich dachte, Daniel würde vor Stolz platzen. Wir unterstützen die Familie mit einem jährlichen Betrag, wobei ich mir ziemlich sicher bin, dass Daniel seinem Vater nie etwas davon erzählt hat. Das Geld geht an seine Mutter.
Annette: Und was ist mit dem Anwesen?
Bella: Es läuft gut. Die Nachbarn hören natürlich nicht auf zu tratschen, aber das ist mir egal. Wir haben ein paar gute Freunde, für die Daniels Herkunft keine Rolle spielt. Er ist sehr gut in seine neue Rolle hineingewachsen und den Pferden geht es gut.
Annette: Reitet ihr viel zusammen aus?
Bella: Fast jeden Tag. Nur die dringlichsten Angelegenheiten halten uns davon ab.
Annette: Das klingt wunderbar. Ich würde aber gerne einen Blick in die dunkle Vergangenheit werfen. Wie war es für dich, bevor Daniel aufgetaucht ist?
Bella seufzt und studiert ihre Hände: Hart. Riley war irre. Er beobachtete mich Tag und Nacht. Manchmal habe ich mich gefragt, ob er überhaupt jemals geschlafen hat. Ich war in ständiger Angst.
Annette: War er auch schon so, als er noch Aufseher war?
Bella: Er hatte immer so eine Ausstrahlung, als ob etwas Dunkles in ihm lauern würde. Natürlich hätte ich es damals nicht benennen können, aber ich habe ihn instinktiv gemieden. Ich habe nie verstanden, wie Vater ihm so vollkommen vertrauen konnte. Obwohl es scheint, dass er vor dem Ende misstrauisch wurde.
Annette: Wie hast du erfahren, was Riley getan hat?
Bella: Erfahren? Ich habe es nicht erfahren. Ich habe es miterlebt. Mein Vater hat mich zum Beten in die Kapelle mitgenommen und Riley hat uns dort gefunden. Ich will wirklich nicht darüber reden.
Annette: Das verstehe ich. Ich kann kaum glauben, dass du die nächsten Jahre überlebt hast. Was hat dir die Kraft gegeben, durchzuhalten?
Bella: Mein Glaube und Kitty, mein Pferd. Ich wollte nicht sterben, ohne mich von ihr verabschiedet zu haben. Ich hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war, als Riley mich endlich aus dem Erdloch befreit hat. Ich dachte, sie würde sich nicht mehr an mich erinnern, aber nein. In dem Moment, als ich nach ihr pfiff, kam sie angaloppiert, und Riley wurde grün vor Neid. Er war ein guter Reiter, hatte aber nie eine solche Bindung zu einem Pferd aufgebaut. Er versuchte, unsere zu brechen – erfolglos.
Annette: Was hältst du von Rileys wohlwollender Haltung Daniel gegenüber?
Bella: Es ärgert mich, wenn ich daran denke, dass Daniel das meiste, was er über die Leitung des Anwesens weiß, von meinem Peiniger gelernt hat. Und dass es einen Teil in Daniel gibt, der trotz der schrecklichen Dinge, die Riley getan hat, immer noch ein gewisses Maß an Respekt vor ihm hat. Das ist ein Thema, das wir umgehen, sonst würden wir uns wahrscheinlich streiten.
Annette: Aber Riley hat das Anwesen doch gut geführt, oder nicht?
Bella schnaubt ungeduldig, dann sagt sie: Man könnte sagen, er hat es nicht ruiniert. Was mich angeht, war er ein Mörder und ein Hochstapler. Ihn aufzuhängen war nicht Strafe genug. Er hätte mindestens vier Jahre lang in einem Loch verrotten müssen.
Annette: Äh…
Bella: Ich gerate manchmal in eine düstere Stimmung. Dann träume ich davon, mich an ihm zu rächen. Daniel sagt mir immer, dass ich dann genauso grausam wäre wie er, und ich versuche, diese Stimmung abzuschütteln, denn er hat recht. Ich frage mich, ob dieser Wahnsinn ansteckend ist. Viele Jahre lang war Riley meine einzige Gesellschaft. Er verhöhnte mich, machte sich über mich lustig, prahlte damit, was für ein großartiger Gentleman er jetzt sei, wie erfolgreich das Anwesen unter seiner Leitung sei. Aber hinter all dem war er nur ein ungeliebter Junge, der Aufmerksamkeit suchte. Er war nie in der Lage gewesen, die Liebe zu akzeptieren, die mein Vater ihm entgegengebracht hatte. Die Barrikade, die er um sein Herz gebaut hatte, blieb bestehen und führte ihn zu solch grausamen Taten. Er hat Reichtümer angehäuft, aber er konnte nicht weggehen. Er war an mich und an das Anwesen gebunden. Aber erst als Daniel kam, wurde mir das klar.
Annette: Was war mit Ole Pete?
Ein trauriges Lächeln huscht über Bellas Gesicht: Der liebe alte Pete. Riley hat sich sehr auf ihn verlassen. Ich habe ehrlich gesagt nicht erwartet, dass er den alten Mann am Leben lassen würde, sobald er einen Ersatz gefunden hatte. Aber das hat er.
Annette: Warum bist du nicht einfach ins nächste Dorf geritten und hast um Hilfe gebeten?
Bella: Wer hätte mir denn helfen sollen? Riley hatte mir gesagt, dass alle mich für tot hielten. Und dass niemand mir eine solche Geschichte glauben würde. Das einfache Volk im Dorf kannte mich nicht und hätte gegen den Gutsherrn auch nichts ausgerichtet. An Vaters Freund, den Anwalt, habe ich mich einfach nicht erinnert.
Annette: Hast du jemals dein Schweigen gebrochen?
Bella: Nein, nie. Nicht einmal bei Kitty. Ich habe nach ihr gepfiffen und in meinem Herzen mit ihr gesprochen. Pferde brauchen keine Worte. In gewisser Weise war die Stille mein Zufluchtsort. Es war der Ort, den niemand sonst betreten konnte. Der Ort, an dem ich frei war.
Annette: Mit dieser traurigen, aber schönen Aussage möchte ich unser Gespräch beenden. Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen und so offen über deine Gefühle gesprochen hast.
Liebe Leserinnen und Leser, wenn ihr Bella noch etwas fragen möchten, könnt ihr eure Fragen gerne in den Kommentaren hinterlassen. Bis bald!
Joining me today is quite an impressive woman: Baronetess Arabella Alexandra Brigham, perhaps known to you from the novel The Silent Maid. If you have not read this novel yet, please be warned that this interview will contain spoilers!
Dame Arabella has gone through unbelievable hardship, having been held captive, practically enslaved and forbidden to utter a single word, by her father’s murderer, until she was miraculously freed. I am ever so grateful that she has taken the time to answer a few questions.
Annette: Since you have spent considerable time in my head and put tremendous pressure on me to have your story told, I trust it is okay for me to forgo the formalities and call you Bella?
Bella: You may certainly do so, Annette. I’m sorry for the inconvenience I caused, although I must say it wasn’t altogether wrong to give you a little push in the right direction.
Annette: A little push? Yes, well, personally I would call it persistent nagging, but you are right. Without you, I wouldn’t be where I am today.
Bella smiles smugly and smoothes her dress.
Annette: Readers were quite taken with your fate and Daniel’s heroic deeds on your behalf. They were left in the dark about your married life, though, and I’m certain they are very keen on learning how you and Daniel are getting along now.
Bella: Daniel is wonderful. The moment he first noticed me I knew him to be kindness personified and nothing has changed in that regard. He still treats me with utmost respect and cares for me lovingly. Although I must admit I despaired of his naivety and his absolute refusal to acknowledge the feelings he had for me – and I for him. It broke my heart to have happiness at my fingertips, but just out of reach.
Annette: But then his mother wrote to him.
Bella laughs: Yes, she did, God bless her.
Annette: Did you ever meet her?
Bella: She came to our wedding. Daniel wouldn’t have it any other way. His father attended as well and could hardly believe it all. I thought Daniel would burst with pride. We are supporting the family with an annual allowance, although I’m fairly certain Daniel never told his father about that. The money goes to his mother.
Annette: And what about the estate?
Bella: It’s running quite smoothly. The neighbor’s tongues haven’t stopped wagging, of course, but I don’t care. We have a few good friends to whom Daniel’s origins do not matter. He has grown into his new role very well and the horses are thriving.
Annette: Do you ride a lot together?
Bella: Almost every day. Only the most pressing business will keep us from it.
Annette: This sounds wonderful. I would like to take a look at the dark past, though. What was it like before Daniel showed up?
Bella sighs and studies her hands: Hard. Riley was mad. He watched me day and night. Sometimes I wondered if he ever slept at all. I was in constant fear.
Annette: Was he like that when he was still overseer?
Bella: He always had such an air about him, as if something dark was lurking inside. Of course, I wouldn’t have been able to name it back then, but I avoided him instinctively. I never understood how Father could trust him so completely. Although it seems he grew suspicious before the end.
Annette: How did you learn what Riley did?
Bella: Learn? I didn’t learn it. I witnessed it. My father had taken me to the chapel to pray and Riley found us there. I really don’t want to talk about it.
Annette: I understand. I can hardly believe you survived the next years. What gave you strength to hold out?
Bella: My faith and Kitty, my horse. I refused to die without having said goodbye to her. I had no idea how much time had passed when Riley finally freed me out of that hole in the ground. I thought she would not remember me, but no. The moment I whistled to her, she came running and Riley turned green with envy. He was a good horseman but had never developed a bond like that with any horse. He tried to break ours – unsuccessfully.
Annette: How do you feel about Riley’s tutelage of Daniel?
Bella: It irks me to think that most of what Daniel knows about running the estate he learned from my tormentor. And that there is a part in Daniel even now that still holds a measure of respect for Riley, despite the awful things he did. It’s a topic we shirk, otherwise we would probably get into a row.
Annette: But Riley did well running the estate, didn’t he?
Bella snorts impatiently, then says: You might say he didn’t ruin it. For all I’m concerned, he was a murderer and an impostor. Hanging him was not punishment enough. He should have rotted in some hole for at least four years.
Annette: Uh…
Bella: I sometimes get into a dark mood when I dream of taking my revenge on him. Daniel invariably tells me that that would make me just as cruel as he was and I try to shake that mood off, because he is right. I wonder if such madness is contagious. For many years, Riley was my sole company. He would taunt me, ridicule me, boast to me what a great gentleman he was now, how successful the estate was under his management. But beneath all that he was just an unloved boy seeking attention. He had never been able to accept the love my father had shown him. The barricade he had built around his heart stayed in place and led him to such ghastly deeds. He amassed riches but was unable to leave. He was bound to me and to the estate. But only when Daniel came did I realize that.
Annette: What about Ole Pete?
A sad smile flits across Bella’s face: Dear Ole Pete. Riley depended heavily on him. I honestly did not expect him to keep the old man alive once he had found a replacement. But he did.
Annette: Why didn’t you just ride into the next village and ask for help?
Bella: Who could have helped me? Riley had told me that everyone thought I was dead. And that nobody would believe me such a story. The village folk didn’t know me and wouldn’t have stood up to their lord anyhow. And I simply did not remember Father’s friend, the solicitor.
Annette: Did you ever break your silence?
Bella: No, never. Not even to Kitty. I would whistle to her and talk to her in my heart. Horses don’t need words. In a way, the silence was my sanctuary. It was the place where no one else could enter. The place where I was free.
Annette: On that sad but beautiful note I would like to end our chat. Thank you so much for joining me and being so open about your feelings.
Readers, if there’s anything else you would like to ask Bella, feel free to leave your questions in the comments. Bye for now!