
Aufgeregt war ich wie vor einem Rendezvous, als ich heute mit meinem Mann nach Friedewald fuhr. Wir waren schon einmal dort gewesen, um uns das Schloss anzusehen, auf dem Die Tochter der Hungergräfin teilweise spielt. Doch damals waren die Tore verschlossen und hinter den dicken Wehrmauern und Türmen konnte man vom eigentlichen Schlossgebäude nicht viel sehen. Doch dann sah ich den Artikel im Lokalanzeiger: Tag der offenen Tür auf Schloss Friedewald! Freier Zutritt! Ich war komplett aus dem Häuschen, da ich gerade mitten in der Überarbeitung des Romans steckte.
Natürlich habe ich recherchiert und mir viele Aufnahmen aus Zeiten angesehen, als das Schloss noch zugänglich gewesen war. Aber selbst dort zu stehen und all die Eigentümlichkeiten mit eigenen Augen zu sehen, von denen man bisher nur gelesen hat, ist doch etwas ganz anderes.

Es wirkt klein, dieses Schlösschen, denn es war nie als Herrschaftssitz geplant, sondern als Jagdschloss. Der Schlosshof, eingerahmt von Wehrbauten, Schlossmauer und Türmen, ist gerade so groß, dass eine vierspännige Kutsche gut wenden kann. Von dort führt ein Weg in Serpentinen den steilen Hang hinab in den Rosengarten, der erst noch zu früherer Pracht zurückfinden muss. Es sind zwar neue Rosenbeete angelegt, aber viel mehr auch nicht.

Über die Eingangstreppe gelangt man durch eine prunkvolle Holztür in den Rittersaal des Schlosses, von dem rechts und links weitere Räume abzweigen. Zukünftig soll man dort heiraten können und zu diesem Zweck war ein verschnörkelter barocker Schreibtisch mit mehreren Stuhlreihen davor eingerichtet. Ach, hätte ich doch nur eine Schreibfeder gehabt! Aber auch so konnte ich es mir nicht nehmen lassen, mich einmal kurz an diesen Schreibtisch zu setzen und mir vorzustellen, wie ich Schriftsatz um Schriftsatz verfasse, um mir meine geraubten Rechte zurück zu erkämpfen, wie Louise Juliane von Sayn-Wittgenstein.


Unten im Rosengarten stellte ich mir den Pavillon vor, in dem Ernestine bittere Tränen vergießt, weil ihre kleine Schwester Johannette ausziehen wird. Der angeschlossene Park hat sicherlich nicht mehr viel von den damaligen Gegebenheiten, denn er wurde nach dem Wiederaufbau des Schlosses im 19. Jahrhundert komplett neu gestaltet. So blieb mir nur die Frage, welche Wege meine Protagonistinnen wohl beschritten haben. Auch die Wehrbauten und Stallungen sind verändert worden. Was aber nachweislich noch stand, war die Fassade des Schlosses mit seinen herrlichen Fresken. Warum an der einen Seite des Schlosses Löwenköpfe angebracht sind und an der anderen gequält aussehende Fratzen, könnt ihr nachlesen, sobald das Buch erscheint. Sie waren einer der Hauptgründe, warum ich unbedingt vor Ort recherchieren wollte. Was habe ich gelacht!
Leider konnte ich weder in die oberen Etagen des Schlosses noch in den Wehrturm. Ich hätte ja zu gern gesehen, wie groß die Schlafräume sind und wie der Blick durch die Schießscharten ist, aber nun gut. Man kann ja nicht alles haben. Ich konnte es mir nicht verkneifen, dem freundlichen Herrn, der im Rittersaal für Fragen Rede und Antwort stand, ein Lesezeichen des Romans in die Hand zu drücken. Er wirkte etwas irritiert von meiner Begeisterung und informierte mich gleich, dass es keine Dokumente von der Hungergräfin im Schloss gäbe. Damit hatte ich auch gar nicht gerechnet. Alle weiteren Fragen beantwortete er aber ganz freundlich. Leider bestätigte er mir auch, dass es keine Portraits der Damen gibt, was ich immer noch sehr traurig finde. Oder auch nicht, denn in meiner Vorstellung haben sie inzwischen schon so viel Ausdruck und Lebendigkeit, dass jedes Portrait das nur zerstören würde.
Für weitere Eindrücke meines Besuchs klickt euch einfach durch die Slideshow.