Alte Schätze / Old Treasures

Mein neues Regal / My New Shelf

In meinem neuen Bücherregal gibt es einen Boden für alte Schätze: Bücher, die ich von meinen Eltern geerbt oder in Antiquariaten gekauft habe. Neulich habe ich mir die Mühe gemacht, nach den Erscheinungsdaten zu forschen, und ich stellte fest, dass ich einige Bücher besitze, die über 100 Jahre alt sind. Der Star dieser Abteilung ist sicherlich die englische Ausgabe von Charles Dickens‘ Martin Chuzzlewit von 1872. Und ja, ich habe sie gelesen!

In my new bookshelf, there is one compartment for old treasures: Books that I have inherited from my parents or bought in second-hand bookshops. A little while ago, I went through the trouble of finding out the publishing dates of the individual volumes. I found that I own several books which are 100 years or older. Star of this collection most certainly is the household edition of Charles Dickens‘ Martin Chuzzlewit from 1872. And yes, I’ve read it!


Natürlich schlägt man bei einer solchen Aktion die Bücher auch auf und in Selma Lagerlöfs Gösta Berlings Geschichte las ich spaßeshalber das Vorwort von Hanns Heinz Ewers aus dem Jahre 1911.

Of course I opened the books and stumbled across a foreword to Selma Lagerlöf’s Goesta Berling, written by one Hanns Heinz Ewers in the year 1911


Für diejenigen, die sich mit der deutschen Schrift etwas schwertun, schreibe ich es hier noch einmal ab:

Oscar Wilde, der die dichtenden Frauen hasste, sagte einmal in Bezug auf ihren wunderbaren Roman „Gösta Berlings Saga“ sehr entschieden: „Ach was, sie hat dies Buch ja gar nicht geschrieben!“ Und als man ihn fragte, wer es denn geschrieben habe, antwortete er: „Sie nicht – – es in ihr.“ So paradox das klingt, es mag doch etwas daran sein, wenn man auch schwerlich je dahinter kommen wird, was denn dieses geheimnisvolle „es“ eigentlich sei.
Manche glauben, und nicht die Dümmsten, dass Ideen ihr eigenes Leben haben, dass sie nicht Produkte irgend eines Hirnes seien, sondern sich betten in diesem oder jenem Hirne, dort verkümmern oder aber ausreifen, bis sie eines jungen Tages in die Erscheinung treten. So mag es kommen, dass zwei und drei Menschen urplötzlich zu gleicher Zeit an ganz verschiedenen Weltecken dieselbe große Erfindung, dieselbe wissenschaftliche Entdeckung machen, denselben künstlerischen Gedanken hegen.

Ich kann bestätigen, dass Ideen definitiv ihr eigenes Leben haben und dass sie einen durchaus so lange nerven können, bis man ihrem unbändigen Erscheinungswillen endlich nachgibt. Gleichzeitig habe ich mir schon öfter darüber Gedanken gemacht, wie in der kulturellen Entwicklung der Menschheit bestimmte Dinge entdeckt wurden. Brot beispielsweise. Es ist naheliegend, dass man Körner essen kann. Aber wer ist auf die Idee gekommen, diese Körner zu zerreiben und sie mit Wasser zu vermengen? Und wer schon einmal Sauerteig gerochen hat, weiß, dass das alles andere als appetitlich riecht. Wie also kam es zum Sauerteigbrot?
Oder Eisen. Wie viele Schritte sind nötig, um aus Erz einen Gebrauchsgegenstand herzustellen? Und wer hat daran getüftelt? Es bringt mich zu der Überzeugung, dass Ideen eine ganz eigentümliche Dynamik haben und etwas sehr Lebendiges, ja geradezu Elektrisierendes sind. Vermutlich sind sie nahe verwandt mit dem Schöpfergedanken, dessen Echo uns in Unruhe versetzt und mit Begeisterung füllt. Ideen sind Lebensmotor und Schaffensmotivation und ohne sie würden wir vermutlich immer noch im Gras sitzen und Körner kauen.

Und dann ist da noch diese Überraschung, dass manche Ideen gar nicht so neu sind wie man glaubt. Der obige Text könnte in moderner Formulierung aus einem aktuellen Social Media Post eines Autors stammen, aber nein. Er ist über 100 Jahre alt. Auch damals waren Autoren bereits den Launen ihrer Geschichten und Charaktere hilflos ausgeliefert. Ich finde das ausgesprochen sympathisch. Und du?

Let me give you a translation of what is being said here:

Oscar Wilde, who hated women writing poetry, once said with regard to her wonderful novel „Gösta Berlings Saga“ quite resolutely: „Mind you, she hasn’t written that book herself!“ When asked who had written it, he replied: „Not her – – it within her.“ As paradoxical as this may seem, there appears to be some truth in this, even though one will hardly find out what this mysterious ‚it‘ may really be.
Some believe, and they are not the most stupid, that ideas have their own lives, that they are not products of someone’s brain, but retire to this brain or that, to waste away there or grow ripe, until one young day they appear. That’s how it may come to pass that two or three people at different corners of the world all of a sudden make the same great invention, the same scientific discovery, have the same artistic thought.

I can confirm that ideas definitely have a life of their own and that they may get on your nerves incessantly until you finally give in to their irrepressible will to come into existence.
At the same time, I have repeatedly wondered how certain things were discovered in the course of the cultural development of humanity. Bread for example. It is quite obvious that grain is edible. But whose idea was it to grind it and mix it with water? And if you ever got a whiff of sour dough, you know it smells anything but enticing. So how did sour dough bread come to happen?
Or take iron. How many steps are necessary from iron ore to a finished tool? Whoever thought of all that?
It brings me to the conclusion that ideas possess curious dynamics, something alive or even electrifying. They are probably related to the creator’s thoughts, whose echo makes us restless and fills us with enthusiasm. Ideas are life engines and motivation to create, and without them we would likely still be sitting in the grass, chewing grain.

And then there is this surprise that some ideas aren’t as new as you thought. The above text, worded a bit differently, could have come straight from an authors current social media post, but no. It is more than 100 years old. Even back then authors were helplessly entangled in the grip of their stories and characters. I really like that thought. What about you?


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