Soko mit Handicap von Thomas Franke

Eine Rezension auf Instagram machte mich auf dieses Buch aufmerksam. Wie üblich warf ich einen Blick hinein, um zu sehen, ob der Schreibstil mir zusagt. Mehrere Seiten später stellte ich fest, dass die Story mich sofort eingesaugt hatte. ‚Du kommst mit in den Urlaub‘, dachte ich bei mir und kaufte das eBook. Einen Moment lang haderte ich, ob ich den zweiten Teil der Dilogie auch direkt mitnehmen sollte, entschied mich aber dagegen. Erstmal schauen, ob der erste Teil mir am Schluss auch noch gefällt. Das war ein Fehler. So saß ich nämlich im Urlaub im Funkloch, fluchte über mörderische Cliffhanger und bettelte als nächstes meinen Mann an, augenblicklich einen Hotspot einzurichten, damit ich den zweiten Teil kaufen kann. Hat er natürlich gemacht, ist ja’n guter. Doch zurück zum Buch.

Theo Marquardt ist Anfang 20 und lebt in einer Berliner Wohngemeinschaft für Menschen mit Behinderung. Ohne seinen Rollstuhl kommt er nicht weit, denn er leidet an Kongenitaler Muskeldystrophie. Als er eines Morgens erfährt, dass ein Mitbewohner die Nacht nicht überlebt hat, sitzt der Schock tief. Doch offenbar sind zur nächtlichen Stunde seltsame Dinge geschehen. Warum ist der Autist Keno wie aufgelöst und spricht immer wieder von einem Taucher? Was hat die kleine Wunde am Arm des Verstorbenen zu bedeuten, und warum hat es dessen Familie so eilig, ihn unter die Erde zu bringen? Die Fragen lassen Theo nicht los, und er beschließt, der Wahrheit auf den Grund zu gehen …

Die Menschen in dieser WG wachsen einem ans Herz. Jeder bringt ein anderes Handicap mit, von Downsyndrom bis Autismus, und das sorgt für unglaublich komische Situationen – auf eine gute Art. Zu keinem Zeitpunkt hatte ich das Gefühl, dass der Autor sich über die Behinderungen lustig gemacht hätte, im Gegenteil. Die Art, wie er seine Charaktere beschreibt, zeugt von ganz viel Einfühlungsvermögen und Wertschätzung. Dass man persönliche Macken mit einem liebevollen Augenzwinkern benennen darf, empfinde ich als heilsam, und an dieser Stelle hat es die Story auf immer wieder neue und überraschende Art voran gebracht. Denn die gemeinsamen Ermittlungen haben nur deshalb Erfolg, weil alle ihre Talente einbringen – was manchmal nicht auf den ersten Blick erkennenbar ist.

Die Geschichte selbst ist komplex und man rätselt permanent, wer hinter dem Mord stecken könnte, wenn es denn ein Mord war, und mit welchem Motiv. Hinzu kommt, dass Theos persönliche Geschichte mit den Geschehnissen verwoben ist. Man erfährt Stück für Stück mehr über seine Vergangenheit, teils durch seine Erinnerungen, teils durch seine Schwester, die Polizistin ist, und teils durch einen Obdachlosen, der unter Gedächtnisverlust leidet.

Wo genau der Cliffhanger in der Geschichte war, weiß ich tatsächlich nicht mehr, da ich ja praktisch nahtlos weitergelesen habe. Daher möchte ich auf das zweite Buch auch gar nicht näher eingehen, denn die Spoilergefahr ist einfach zu groß. Was ich aber sagen kann: Ich war restlos begeistert, fand das Ende absolut befriedigend und habe zwischenzeitlich so viel Spaß mit Helene und ihrem Berliner Dialekt gehabt, dass ich laut gelacht und meinem Mann einige Stellen vorgelesen habe. Der hat die Bücher dann im Anschluss in ähnlichem Tempo verschlungen wie ich und war ebenfalls angetan. Das war sicher nicht das letzte Buch, was ich von diesem Autor in die Hand genommen habe.

2 Kommentare zu „Soko mit Handicap von Thomas Franke

  1. Wenn du so begeistert bist muss ich sie wohl bald lesen – sie liegen nämlich noch ungelesen in meinem Keller. Ah, das macht mich grad irre, aber noch mehr kann ich unmöglich lesen

    Like

Hinterlasse einen Kommentar

Entdecke mehr von Annette Spratte

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen